Diagnostik

„Die Lehrerin hat mir gesagt, meine Tochter lerne so schnell, ich solle sie doch mal testen lassen…“

„Unser Sohn fragt uns Löcher in den Bauch und weiß schon Sachen, die er erst in der Schule lernen soll…“

„Annika will nicht mehr in den Kindergarten, sie sagt, die anderen verstehen sie nicht…“

„Wenn Torben aus der Schule kommt, schlägt er erstmal seinen kleinen Bruder. Ich versteh das nicht, er war doch bisher so ein ausgeglichenes Kind…“

Das Wohlergehen der Kinder und der Wunsch nach praktischen Entscheidungshilfen sind die wesentlichen Gründe für eine Hochbegabtenberatung.

Was ist ein Intelligenztest?

Es gibt verschiedene standardisierte Verfahren zur Messung von Intelligenz. Sie liefern Aussagen über Teilaspekte, z.B. verbale oder logisch-mathematische Intelligenz. Einige Tests unterscheiden zwischen intellektuellen und erworbenen Fähigkeiten. Einige wenige Tests befassen sich mit Kreativität.

Eine ausführliche Testdiagnostik liefert ein Profil des Kindes, anhand dessen Begabungsschwerpunkte, aber auch Entwicklungsverzögerungen erkannt werden können. Der Intelligenzquotient (IQ) ist ein daraus errechneter Mittelwert. Ab einem Wert von 130 spricht die Wissenschaft von Hochbegabung. Die gemessenen Werte sind nicht exakt, sondern liegen in einem Intervall. Oft verdeckt der Gesamt-IQ Spitzenwerte in Teilbereichen, insbesondere dann, wenn gleichzeitig Entwicklungsverzögerungen vorliegen. Begabungen sind nicht statisch, sondern immer in Entwicklung begriffen.
Die psychologische Diagnostik besteht aus mehreren Schritten:

  • Vorgespräch
  • Klärung der Fragestellung
  • Auswahl der diagnostischen Verfahren
  • Anwendung und Auswertung der diagnostischen Verfahren
  • Interpretation der Ergebnisse, Entscheidung über eine Handlungsempfehlung und Intervention
  • Beratung und Gutachtenerstellung
  • Festlegung der Intervention

Die Eltern erhalten in jedem Fall das so genannte Testprotokoll, das die Ergebnisse der einzelnen Untertests sowie das Gesamtergebnis enthält. Eine Beratung sowie die Erstellung eines schriftlichen Gutachtens sollten eingeholt werden. 

Testen – ja oder nein?

Die Durchführung eines Testes ist oft an zwei Fragen gebunden:

  • Für wen ist der Test wichtig? (KiGa, Schule, Eltern, Kind?)
  • Hängen von dem Test Entscheidungen ab? (z.B. vorzeitige Einschulung, Überspringen einer Klassenstufe, individuelle Fördermaßnahmen)

Für die Eltern kann es wichtig sein, von „neutraler“ Seite eine Bestätigung ihrer Beobachtungen und Vermutungen zu bekommen. Oft sind sie durch unterschiedliche Beurteilungen von ErzieherInnen oder Lehrkräften verunsichert. Dies geschieht häufig dann, wenn das Kind ein auffälliges Verhalten zeigt, das als nicht „normal“ empfunden wird. Die Unruhe unterforderter Hochbegabter wird nicht selten als AD(H)S-Symptom fehl gedeutet.

Wer kann/darf testen?

Die meisten Tests werden von niedergelassenen PsychologInnen durchgeführt. Unter dem Link www.die-hochbegabung.de können Sie sich über Möglichkeiten in Ihrer Nähe informieren. Ist das Kind bereits eingeschult, wird in seltenen Fällen auch der schulpsychologische Dienst zu Rate gezogen. Manchmal führt  der Weg auch über eine kinderärztliche Empfehlung. Die Kosten für eine Testung können unterschiedlich ausfallen, im Durchschnitt fallen ca. 300,-- € an. Sollten Sie detaillierte Informationen benötigen, kontaktieren Sie uns.

Testergebnisse und Schule

Eltern verbinden sehr hohe Erwartungen mit der Durchführung und dem Ergebnis einer Diagnostik, dennoch ändert der Test nichts an der Situation, bringt er doch keine begabungsgerecht fördernden Lehrer mit sich. Er enthält zudem keine Hinweise für die konkrete Gestaltung des Unterrichtes.

Die Interpretation der Testergebnisse ist nicht einfach und überfordert Laien. Geben Eltern den Test an die Schule weiter, empfiehlt es sich, dies mit einem Gespräch über die Bedeutung zu verbinden. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, gezielt nur Teile des Ergebnisses weiterzugeben. Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Hochbegabung“ ist kaum Teil der Lehrerausbildung. Neben engagierten Pädagogen mit Verständnis stehen leider auch Lehrkräfte mit Vorurteilen, die die Aussagen des Tests grundsätzlich anzweifeln oder fehl interpretieren.

Das Testergebnis kann wichtige Hinweise zur Förderung der Begabungen liefern. Genauso wichtig ist jedoch auch, die konkrete aktuelle Situation zu berücksichtigen. Wie Begabungen sich entwickeln, hängt nicht nur vom jeweiligen Kind ab, sondern in großem Maße auch von den Rahmenbedingungen, die das Kind umgeben. Da die Persönlichkeitsentwicklung wesentlich mehr umfasst, als ein Test aufzeigen kann, sollte eine Etikettierung des Kindes vermieden werden. Die angemessene, individuelle Förderung von Schülern sollte nicht grundsätzlich vom Ergebnis eines vorliegenden Intelligenztestes abhängig gemacht werden.


Cornelia Klioba
Suzana Zirbes-Domke, Dipl.-Psych.